Reges Vereinsleben – Wahlerfolge
Am 9. September 1919 veröffentlichte die Parteizeitung „Volksstimme“ einen Bericht über eine vier Tage zuvor in der Turnhalle stattgefundene öffentliche Versammlung. „Der überfüllte Saal zeugte von dem großen Interesse, das den Gemeindeangelegenheiten entgegengebracht wird“. Valentin Schäfer, der saarländische Parteivorsitzende aus Saarbrücken stellte das Kommunalprogramm vor. Der brausende Beifall zeige, dass Referent und Zuhörer sich einig waren in der Erwartung, dass nunmehr „endlich mit dem alten Klassenherrschaftssystem endgültig gebrochen werden“ müsse, stellt der Bericht fest. Es ging um die Vorbereitung der Kommunalwahlen. „Nur wenn wir mit Majorität in das Rathaus einziehen werden, nur dann kann gründlich Remedur geschaffen werden…“. Es wurde eine Pressekommission gebildet, und es wurde bekanntgegeben, „dass jeden Sonntag von vormittags 9 Uhr ab eine Sprechstunde im Verbandslokal der freien Gewerkschaften – Schmitt Heinrich – eingerichtet ist…“.
Ein Zeitungsbericht informiert, dass am 5. November „im Saale der Witwe Meyerjohann die allmonatliche Mitgliederversammlung der sozialdemokratischen Partei“ stattfand, in der der Vorsitzende Weber referiert. Da wurde über eine „starke Aufwärtsentwicklung der Partei (700 neue Mitglieder) und über das Aufwachsen der Abonnentenzahl der Parteipresse informiert.
Am 3. Dezember befasste sich die Mitgliederversammlung mit dem „Betriebsräte-System“ und mit „Religion und Sittenlehre“. Es wurde über Bestimmungen zur Einhaltung von Höchstpreisen und Höchstkalkulationssätzen informiert. Dabei wurde festgestellt, dass „die hiesige Geschäftswelt sich tatsächlich an die vereinbarten Prozentsätze gehalten“ habe. Der Ortsverein befasste sich nicht nur mit politischen Problemen. Man traf sich mit den Familienangehörigen zu einer Weihnachtsfeier, deren Programm mit eigenen Kräften gestaltet wurde. „Die Theatergruppe des Vereins zeigte ihr Bestes durch Aufführung eines sozialen Arbeiterstücks“. Auch ein Lustspiel wurde aufgeführt, und humoristische Einlagen sorgten für eine gelöste Stimmung. Es wurde dann auch zum gemütlichen Beisammensein mit Familie im Gewerkschaftshause H. Schmitt am Silvesterabend eingeladen.
1920 wurde ein Jahr beachtlicher Aktivitäten des Ortsvereins. Schon im Januar wurde eine öffentliche Versammlung vorbereitet, die das Thema „Sozialdemokratie und Religion“ behandeln sollte. Die Genehmigung beantragen Ludwig und Maria Weber. In der gut besuchten Versammlung referierte am 22. Januar „Lehrer Schneider“ aus Saarbrücken. Er kennzeichnete gesellschaftliche Zustände. Der Arbeiter sei dem Kapitalisten weniger wert als ein Stück Vieh. Ein Pferd koste 8-10.000 Mark, der Arbeiter koste den Kapitalismus nichts. Schneider setzte sich dann mit Frömmelei auseinander, mit widersprüchlichem Verhalten zu religiösen Geboten, und er polemisierte dabei gegen die katholische Zentrumspartei. Die Sozialdemokratie sei nicht religionslos, halte Religion aber für die Privatangelegenheit der Menschen.
Schon 14 Tage später referiert „Lehrer Schneider“ erneut in Völklingen. Sein Thema: „Sozialdemokratie und Schule“. Hierzu hielt der Polizeibericht fest: Der Referent schilderte „unter heftigen Angriffen auf das Zentrum und die rechtstehenden Parteien die Vorteile der Einheitsschule im Sinne des Sozialismus“. In der freien Aussprache „suchten die Lehrer Cornelius und Backes, sowie drei Arbeiter „Mitglieder des Zentrums“ die Ausführungen des Lehrers zu widerlegen“.
Ein weiteres Mal fand im Februar eine öffentliche Versammlung statt, diesmal zum Thema „Die Frau und der Sozialismus“. Im Juni referierten dann ein Stadtsekretär Arndt, Lehrer Allenbach (beide aus Saarbrücken) und Oberlehrer Dr. Grein aus Neunkirchen über „Beamtenschaft und Sozialdemokratie“. Es hatte zwischen der Regierungskommission und der Beamtenschaft Auseinandersetzungen über deren Status, ihre Rechte gegeben, es kam zum Streik und zu solidarischen Aktionen der Bevölkerung. Es war also ein hochaktuelles Thema, das weit über die Beamten hinaus auf Interesse stieß, zu dem der Ortsverein Völklingen kompetente Referenten eingeladen hatte.
Die April-Versammlung nahm einen Bericht des Genossen Stumm über die Bezirkskonferenz entgegen und bestimmte bei Ergänzungswahlen an Stelle des bisherigen Weber Anton Betz als künftigen Vorsitzenden. „Als zweiter Vorsitzender ging Genosse Stimm, als Schriftführer Genosse Rauscher und als Beisitzer Genosse Keßler aus der Wahl hervor.“
Am 30. Mai hatte die Mitgliederversammlung im Lokal Meyerhohann die Vorschlagsliste zur Gemeinderatswahl aufgestellt. Die Liste mit 30 Kandidaten, unter ihnen drei Frauen, wurde von Robert Stumm angeführt. Sie gehörten 14 verschiedenen Berufen bzw. Dienststellungen an, u.a. neun Metall- und drei Bergarbeiter. Eine Woche vor dem Wahltermin stellten sich die Kandidaten in einer öffentlichen Versammlung vor und referierten zu den verschiedensten kommunalpolitischen Themen. Und ein Tag vor der Wahl sprach in der Turnhalle, im „dichtbesetzten“ Saal, Gewerkschaftsekretär Gerhard. In dieser Versammlung kam es nach Angriffen der Referenten zu Auseinandersetzungen zwischen SPD und USPD.
Bei der Wahl am 11. Juli 1920 errang die SPD in Völklingen 10 von 30 Mandaten und die USPD weitere sechs Mandate. (Damals 1920 und dann noch 1923 hatte die Gemeinde Völklingen 30 Gemeinderatsmitglieder. Der Wähler hatte „je eine Stimme für jeden zu wählenden Vertreter“.)
Im September 1020 sollte sich die Mitgliederversammlung mit einem „Bericht über die Tätigkeit unserer Genossen im Gemeinderat“, mit Neuwahlen zum Vorstand und mit der Bildung einer Jugendgruppe befassen. „Die Sozialdemokratie ist zu einem gewaltigen Einfluss gekommen. Aber falsch wäre es, wenn man sich jetzt zur Ruhe begäbe. Stillstand ist Rückschritt. Jetzt heißt es, von neuem an die Arbeit zu gehen um die eroberten Positionen zu erhalten…“, wird in einer Pressenotiz festgehalten.
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