In der Diskussion um die Straßennamen im Heidstocker „Kolonialviertel“ hat der Lauterbacher Ortsvorsteher seinen Amtskollegen Stephan Tautz in einem offenen Brief aufgefordert, seine Haltung zur Änderung der Namen zu ändern. Er erinnerte ihn daran, dass er als Ortsvorsteher verantwortlich für die Gesamtentwicklung der Stadt und deren Erscheinungsbild. Lediglich partielle Bürgerinteressen zu vertreten und zu versuchen, es allen recht zu machen, funktioniere nicht, so Peters. Leider sei dies aber das Prinzip von Tautz und seiner Vereinigung „Wir Bürger“.
„Ich sehe Völklingen als eine weltoffene und tolerante Stadt, in der sich Menschen aus allen Kulturen wohlfühlen, egal, ob sie zu Besuch sind, oder hier eine neue Heimat finden. Da passt es nicht, dass verantwortliche Kommunalpolitiker nicht in der Lage sind, ohne viel Tamtam und unsägliche Diskussionen Straßennamen zu ändern.“, so Peters mahnende Worte.
Der Brief im Wortlaut:
Straßenumbenennungen auf dem Heidstock in Völklingen
Sehr geehrter Herr Tautz,
unter das Thema Straßenumbenennungen sollte keinesfalls „ein Haken drunter“ gesetzt werden. Dafür ist dieses Thema zu wichtig!
Der Historiker Dr. Rainer Möhler stellte fest, dass die fünf Namensgeber Lüderitz, Nachtigal, Wissmann, Lettow-Vorbeck und Peters in Afrika, China und im Pazifik betrogen, gemordet und vernichtet haben. Diese Männer wurden auf dem Heidstock durch ihren Namen auf Straßenschildern geehrt. Ich kenne wie Herr Möhler kein Argument, wieso wir diese Menschen, mit dem Wissen von heute, noch in ehrenhafter Erinnerung behalten sollten. Besagte Straßennamen wurden 1956 von Stadtverordneten wiedergewählt, die sich in ihrer Mehrheit noch nicht vom nationalsozialistischen Gedankengut und der dahinterstehenden Ideologie befreit hatten.
Herr Tautz, Sie sind Ortsvorsteher von acht Völklinger Stadtteilen und damit Repräsentant von ca. 32.000 Völklinger Bürgerinnen und Bürger. Daher kann es nicht sein, dass lediglich die Anwohnerinnen und Anwohner aus diesen fünf Straßen über die Änderung der Straßennamen bestimmen.
Die Unannehmlichkeiten, die eine Änderung der Straßennamen für deren Anwohnerinnen und Anwohnern mit sich bringt, sind zwar absolut nachvollziehbar und verständlich, verlieren aber einen Großteil ihrer Bedeutung gegenüber dem Leid, das Menschen durch die geehrten Herren erfahren mussten. Aufgrund von rassistischem und nationalsozialistischem Gedankengut wurden nur im letzten Jahr zwölf Menschen in Deutschland ermordet. Einer von ihnen war Kommunalpolitiker. Er wurde auf seiner Terrasse erschossen, weil er sich für einen humanen Umgang mit Migrantinnen und Migranten eingesetzt hat. Dem stark zunehmenden Rechtsradikalismus und dem Verbreiten von nationalsozialistischem Gedankengut muss etwas auf allen gesellschaftlichen Ebenen entgegengesetzt werden.
Politik und der damit einhergehende Einsatz für die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern bedeuten für mich nicht, es allen recht zu machen. Dies gelingt sowieso nicht. Zahlreiche Meinungen sind in einer Demokratie vertreten: die einen wollen z. B. kein Frauenhaus in ihrem Wohnumfeld, andere keine Kita oder keinen Spielplatz, da spielende Kinder manchmal laut sind.
Es allen recht machen zu wollen, scheint allerdings das Prinzip zu sein, nach dem Ihre Gruppierung „Wir Bürger“ Politik macht. Als Ortsvorsteher sind Sie aber nicht nur für partielle Bürgerinteressen zuständig, sondern sollten auch die gesamte Entwicklung der Stadt und deren Erscheinungsbild im Blick haben. Völklingen ist Stadt mit Weltkulturerbe, erlaubt sich aber immer noch, Straßen nach Männern zu benennen, von denen wir heute wissen, dass sie für eine brutale Ausbeutung und den Tod von vielen Tausend Menschen verantwortlich sind.
Ich sehe Völklingen als eine weltoffene und tolerante Stadt, in der sich Menschen aus allen Kulturen wohlfühlen, egal, ob sie zu Besuch sind, oder hier eine neue Heimat finden. Da passt es nicht, dass verantwortliche Kommunalpolitiker nicht in der Lage sind, ohne viel Tamtam und unsägliche Diskussionen Straßennamen zu ändern.
Am Volkstrauertag werden Sie, Herr Tautz, einen Kranz niederlegen. An diesem Tag gedenken wir der Opfer von Gewalt und Krieg, der Kinder, Frauen und Männer aller Völker, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk als dem deutschen angehörten, einer anderen „Rasse“ zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren. Angesichts dieses Gedenkens hoffe ich, dass Sie Ihre Haltung zu dem Thema Änderung von Straßennamen überdenken. Dasselbe erhoffe ich mir auch von allen derzeitigen Ortsrats- und Stadtratsmitgliedern. Falls Sie dazu nicht bereit sind, sollten Sie auch am Volkstrauertag an keiner Gedenkfeier teilnehmen. Neutralität ist in diesem Fall nicht angebracht, sondern klare Haltung, auch im Ortsrat der Stadt Völklingen. Dieser trägt ebenfalls eine moralische Verantwortung bezüglich des Erscheinungsbildes, das die Stadt nach außen hin abgibt.
Mit besorgten und nachdenklichen Grüßen
Dieter Peters
Ortsvorsteher des Gemeindebezirkes Lauterbach